2005
Live Aid 2005


[Achtung, durch widrige Umstände (Löschung des alten Bowienet-Webspaces] sind die Fotos abhanden gekommen. Sie sind aber noch irgendwo im Archiv und werden irgendwann nachgereicht...]


.. .früher war alles besser…? Da könne sich die Jungen ja alle begraben lassen, denn so schön wie vor ihrer Geburt wird’s wohl nie mehr sein…

Erinnere mich, dass schon 1985 nicht jeder Live-Aid toll fand. Da gab’s auch jede Menge Kritik, die VIPs tun das nur für ihre eigene Popularität…etc.. und überhaupt, - he, das waren die 80er, Yuppietime, man ging mit dem Aktenkoffer zur Schule und rümpfte die Nase über die Gutmenschen in Birkenstock, die Epigonen der Hippiezeit.. Jene wiederum verglichen Live-Aid mit Woodstock und seufzten – so schön wie damals kann das ja gar nicht sein… Phil Collins ist nie und nimmer Jimi Hendrix… (wobei viele der Woodstock-Survivors gewiss den Matsch und die fehlenden Toiletten und den beschissenen Sound auch mit den Jahren verdrängt haben…)

Auch ich saß damals ohne große innere Beteiligung vor der Glotze und sah mir die Übertragung an… bzw wartete auf die paar Gigs, die ich interessant fand...

Live8 diesmal – war sicher nicht besser oder schlechter als andere Veranstaltungen dieser Art - und wie groß letztendlich der Wirkungsradius sein wird, wer draufzahlt, wer profitiert, ob eine politische Message ankommt oder es nur der Eitelkeit der Stars dient… oder ob man hätte Geld sammeln sollen oder ob der Schuldenerlass sinnvoll ist... man wird sehen... jetzt war es eben erstmal nur ein Konzert...gratis und mit einer durchaus nicht ganz optimalen Organisation (zumindest in Berlin)...



Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus

Hier nun mein „Frontbericht“…

Gegen 14:00 sehen wir noch im heimischen TV die Eröffnung und den Auftritt der Toten Hosen und frohlocken noch: „guck ma, is ja gar kein Gedränge vor der Bühne!“ - harhar.
Gegen 14:30 laufen wir dann los, zu Fuß, über Bellevue, wo wir uns seitlich in den Tiergarten schlagen. Von Ferne klingen die Söhne Mannheims (o.ä). Unterwegs gibt’s an einem Stand Aol-live8-Umhängeteile, nette Souvenirs, aber ohne Sinn und Zweck.
Es wird voller…. Wir quetschen uns schließlich mit einem Haufen anderer Leute in etwa 200 Meter von der Bühne entfernt durch ein Loch im Drahtzaun neben den Dixis, welche allesamt okkupiert wurden und als Hochsitz dienen. Drumherum geht es nicht vor und zurück, Mensch an Mensch – ja, hier wird das Individuum auf Körper reduziert, die im Wege stehen! Auch die Laternen wurden besetzt. Trotzdem immer dazwischen Wagemutige mit wabbeligen Bierbechern balancierend…


Wenigstens die Kamera, über den Kopf gehalten, sieht etwas…

Sehen? Tun wir gar nichts. Die nächste Videoscreen scheint irgendwo entweder hinter uns zu sein (mit einem fantastischen Bild-Ton-Delay, wie man uns hinterher erzählte) – oder eben direkt vorne an der Bühne befestigt. Dies ist eine recht zierliche Screen, die zudem kaum über die Kopfhöhe der Gäste reicht, so dass man kaum einen Blick darauf erhaschen kann, sobald jemand größeres einem die Sicht versperrt.
Wir beschließen „to the front“ – und beginnen einen langsamen aber hartnäckigen Marsch durch schwitzige menschliche Körper nach vorne, und danken dem Wettergott, dass wir zwar keinen Regen, aber auch keine allzu hohen Temperaturen haben.
Irgendwo, während ich gerade mit Überleben beschäftigt bin, geht ein Raunen durch die Menge – ah, was ist? Paul McCartney eröffnet in London. Wow. Zu den Klängen von Sergeant Pepper geht es weiter nach vorne.
Und dann… Was? Es geht nicht mehr weiter? In etwa 100 Meter Entfernung von der Bühne geht nichts mehr. Was ist los?
Es IST die erste Reihe erreicht!


Blick in die Menge

Eine metallene Barriere trennt den Pöbel vom VIP-Bereich. Presse? Vips? Ja, einige Leute dort haben Kameras, aber der Grossteil sieht sehr normal aus… Grrrrr…
Es knäult und quetscht das Volk sich, während ca 100 meter vor der Bühne eine Zone existiert, in der es luftig zugeht - zweifellos, was wir im TV sahen... Da steht – und sitzt! - man locker beisammen, spielt Ball, hält Picknick ab, hat eine Reihe Dixis für sich… Die Aggressionen steigen hinter der Barriere, wo tiefes Einatmen vom Nachbarn schon als „schubsen“ mißdeutet wird…und der Weg zum Klo zur Expedition wird… jaja… Revolution liegt in der Luft… Ein junger Mann neben mir will die Menge aufwiegeln: „he, wenn wir all losstürmen, über die Barriere – dann ist die Security doch machtlos!“… Leider bleibt’s eine Utopie…
Und es werden zunehmend ohnmächtige und betrunkene Menschen aus der dichtgedrängten Masse herausgezogen und weggetragen….


Klassenkampf!

Die Security, Typen in roten Polohemden, zum teil ganz nett und wasserverteilend, aber mit dem festen Auftrag, niemand in die Vip-Area zu lassen, die sich im Verlauf des Konzertes immer mehr leert. In Scharen wandern die Vips ab, wenn ihre Lieblingsband gespielt hat. Pah, es muß langsam peinlich aussehen, von der Bühne aus!
Erst später am Abend, als es wohl wirklich zu peinlich wird, werden immermal Leute in die Zone hineingelassen – wohl aber nur und ausschließlich von der anderen Straßenseite aus…grrr… Anfragen von unserer Seite wurden mehr oder weniger freundlich abgewiesen.
Ein Security-Typ fiel dabei besonders negativ auf, Billardkugelkopf und autoritäres Gehabe ließen vermuten, dass er in seiner Freizeit eventuell als Skinhead tätig ist…


Nun sind wir zwar glücklich fast ganz vorne angekommen, die Metallbarriere zum Greifen nahe, aber sehen tun wir gar nichts, da am rechten Strassenrand stehend. Ein Vorstoß in die Mitte wurde aufgrund akuter Lebensgefährdung aufgegeben. Wir beschließen, am Rand auf bessere Zeiten zu warten…
Und als ob eine mit hohen Bäumen zu beiden Rändern hin begrenzte Strasse als Zuschauerraum nicht schon schlauchartig genug wäre - nein – man kann die Sichtverhältnisse zusätzlich erschweren, indem man riesige Lautsprecherboxen mitten drauf möglichst ungünstig platziert. – Anstatt sie hübsch an den Rand zu schieben, oder gar an einem Gerüst in die Höhe zu hieven...
Nein, die extrem breite Box versperrt zusamen mit einem Kamerakran exakt den Blick auf die Bühne - und auch auf die Videoscreen. Wenigstens konnte man ab und zu im Monitor des Kamerakrans etwas sehen...


der Monitor des Kamerakrans

Bap, Greenday und Audioslave sind damit eine reine Akustikperformance. Muß unbedingt das Video ansehen, das der Videorekorder in meiner Abwesenheit brav mitgeschnitten hat...
Die beiden letzteren kommen bei der Jugend sehr gut an – die danach massenhaft den Exodus antritt, so dass wir tatsächlich die Metallbarriere zu greifen bekommen – was zwar nicht die Sichtverhältnisse, wohl aber den Stehkomfort verbessert… puh. Juli und Silbermond haben es danach schwer…
Auch lässt sich nach und nach zunächst die halbe, und dann die ganze Videoscreen erspähen, solange nicht ein Security-Typ oder große Menschen in der Vip-Zone direkt davor stehen.


hinter der Box ist die Bühne...

Aber, so lässt es sich dann aushalten, auch wenn der Ketzergedanke kommt, dass man zuhause auch Fernsehen-gucken könnte, im Sitzen und mit einem kalten Bier in der Hand… aber, jaja, dabeisein is ja immer das beste, nä?
Nur so bekommt man all die hübschen Pannen und Blödheiten mit, die hinterher sicher rausgeschnitten werden… wunderbar wie wir auf dem Bildschirm Bob Geldof ohne O-ton reden sehen – und dabei Claudia „Micky Maus“ Schiffer ihr Statement vorliest…
Der einzige, den ich wirklich zum Teufel gewünscht habe – und das mehrfach an diesem Tag, war die unsägliche Nervensäge Michael Mittermeier. Kotzkotzkotz. Zum Glück kam er bei allen in meiner Umgebung genauso beschissen an – aber er verdarb dennoch durch regelmäßiges enervierendes und unlustiges Auftauchen jede irgendwie aufkeimende Stimmung… uärgh.
Anne Will dagegen war harmlos und nett. Besser so.


Brian Wilson, die Vipzone, und die große schwarze Box --- Aha auf Monitor (vergrößert)

Ausgesprochen gut gefallen hat mir denn auch A-ha… nun- Morten Harket kann eben singen… Auch den Auftritt von Brian Wilson fand ich gut, trotz den Alterung des Ex-Beachboys. Aber, nee, war schön… Chris de Burgh… näja…wer’s mag… Crosby, Stills&Nash waren wohl gar nicht da – oder is mir was entgangen? REM… Michael Stipe mit blauen Augen harhar. Damit man die Runzeln nicht so sieht…? Nett die Einspielung von Bob Geldof’s „I don’t like Mondays“, auch wenn ihr etwas museales anhaftet…

Und was hatten wir noch….? Langsam wurde man nämlich müde. Und der sogenannte Zeitplan erwies sich also wertlos. Offenbar hatten die, die den Plan aufstellten, nicht mit Umbaupausen gerechnet, die immer wieder durch Einspielungen aus London o.ä. gefüllt wurden. Während der Einspielung von Madonna werde ich schläfrig… warten auf Roxy Music….gääähn… Füße schmerzen…verschiedene Gigs werden eher erduldet. Der Kopf sinkt manchmal ein wenig auf die Barriere... die Aufmerksamkeit schwindet… Amazing grace - unvermeidbar! - Reamon, ja, ne nette Band… aber was muß der Typ sich so gut mit Michael Mittermeier verstehen…argh. Sasha, Joana Zimmer, der peruanische Opernsänger, extra eingeflogen… Namen verschwimmen…. Schnarch. Wo ist Bryan Ferry?
Zum Glück teilt eine nette Frau neben uns ihre Butterstulle mit uns. Und wir die Wasserflasche, die wir von der Security haben. Machen Fotos von uns gegenseitig und der Menge…
Aufwachen tu ich bei der Einspielung von Velvet Revolver… wow. Nich übel. Sollte ich mich mal weiter informieren…

Auch weiß man auch gar nicht, was eigentlich aus Berlin und was aus London kommt, wenn man die ganze Sache nur an der Screen verfolgt – man sieht es an der jeweiligen Bühnenarchitektur. Hätte mir gewünscht, dass man auf dem Bildschirm, sobald etwas aus Berlin gezeigt wird, eben keine (oder zumindest nicht auschließlich) Auschnitte und Großaufnhamen sondern einfach eine Vergrößerung des tatsächlichen Bühnengeschehens gesehen hätte, um dieses Live-Gefühl zu erhalten – zu dem eben auch gehört, dass man selbst sich aussuchen kann, ob man jetzt David Bowie oder Gail Ann Dorsey beobachtet – oder vielleicht den Bühnenarbeiter im Hintergrund.
Aber so bekommt man immer nur kleine Ausschnitte, meistens den Sänger der jeweiligen Band in Großaufnahme - eben wie im Fernsehen, wo die Bildregie alle Entscheidungen abgenommen hat…


Roxy Music!

Es wird später und später und dunkel. Um 20:00 sollte das ganze beendet sein. Und Roxy Music sollten um etwa 19:00 spielen.
Nun, als sie tatsächlich loslegen ist es wohl um die 22:00? Jedenfalls haben wir beschlossen, nach Roxy der guten Taten genug getan zu haben und nach Hause zugehen. Auch um dem großen Absturm zu entgehen. Faithless sagt mir nix und auf Grönemeyer kann ich denn auch verzichten….
“Virginia Plain”, “Do the Strand”, “Love ist he drug” und “Jealous guy”… sehr schön - wenn auch nur auf Videoscreen… nothing beats the real thing.. und so werde ich sie nächste Woche hoffentlich ohne Screen-Filter in Frankfurt sehen!

So können wir ganz gemütlich den Heimweg antreten…mit Zwischenstop an der Imbissbude, nach 8 Stunden im Gedränge wird man hungrig… und kommen gerade rechtzeitig nach Hause, als in London Robbie Williams spielt, dann the Who (puh, is Roger Daltrey alt geworden..) und dann Pink Floyd (auch nich jünger… nä.)

Was es allerdings mit den Bussen nach Edinburgh auf sich hat, hab ich so ganz nicht verstanden… Embarassed


The day after…




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Dr. Z. 2015
first published on Davidbowie.de, 2005
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